Die wichtigsten Fragen zu Desinfektionsmittel verständlich zusammengefasst

Durch den Ausbruch der Corona Pandemie im Jahr 2020 verdichtete sich der Desinfektionsdschungel durch viele neu auftretende Marken. Ein kurzer Rückblick: Beginnend mit Engpässen von herkömmlichen Desinfektionsmitteln, über Sonderregelungen und Übergangsverordnungen für die Herstellung von Desinfektionsmitteln, bis hin zum Abflachen des „Hypes“ von Desinfektionsmitteln. Doch was genau sind Desinfektionsmittel und wie unterscheiden sich diese? Diese und weitere Fakten zum Thema möchten wir Euch in den kommenden Blogbeiträgen genauer erklären.

Beginnen möchten wir mit einem allgemeinen Beitrag zur Desinfektion, in dem wir erläutern, wie Desinfektionsmittel wirken und welche verschiedenen Anwendungsarten es gibt. Ihr bekommt einen guten Überblick, welche Normen und Prüfkennzeichen wichtig sind. Und zu guter Letzt wollen wir Euch Gefahren und andere Maßnahmen aufzeigen, mit denen Konsumenten heutzutage häufig getäuscht werden.

Was ist ein Desinfektionsmittel und welche Wirkungsweisen gibt es?

Allgemein bezeichnet ein Desinfektionsmittel Substanzen, die mikrobizid wirken, aufgrund der jeweiligen Eigenschaften Ihres Wirkstoffes. Mikrobizid bedeutet, dass Mikroorganismen inaktiviert, getötet oder unschädlich gemacht werden. Allerdings werden nicht alle Organismen abgetötet, sondern es wird eine Verminderung herbeigeführt. Ziel dieser Verminderung ist es, eine Konzentration der Krankheitserreger zu erreichen, die für den menschliche Körper nicht schädlich sind. Die allgemeine Wirkung der Wirkstoffe ist denaturierend. Die eiweißhaltigen Strukturen verändern sich je nach Wirkstoff und werden somit unschädlich gemacht. Zusätzlich ergeben sich weitere Wirkungsweisen, wie die Zerstörung von Lipidmembranen (wie etwa Hüllen von Viren) oder der Nukleinsäuren der Erreger. Aufgrund dieser Wirkstoffe ist es möglich Desinfektionsmittel in folgende Kategorien einzuteilen:

Proteindenaturierung:
Als Proteindenaturierung bezeichnet man die irreversible Zerstörung von Strukturen durch chemische oder physikalische Einflüsse. Gezielter formuliert werden die Wasserstoffbrücken in der DNA aufgebrochen. Dadurch werden Erreger abgetötet und unschädlich gemacht.

Oxidation:
Desinfektionsmittel, welche oxidativ wirken, öffnen die Zellwände durch Abspalten von Elektronen. Dadurch tritt das Zytoplasma der Krankheitserreger aus und die Enzyme werden durch Oxidation denaturiert.

Senkung der Oberflächenspannung:

Durch eine Senkung der Oberflächenspannung wird die Oberfläche der Erreger desorganisiert. Dies führt zur Änderung der Durchlässigkeit (=Permeabilität). Dadurch können die Zelleiweiße zerstört werden, da andere Substanzen wie Wasser leichter in die Zelle eintreten und diese aus der Zelle transportieren können.

Enzymhemmung:
Die Wirkungsweise dieser Gruppe der Desinfektionsmittel lässt sich dadurch erklären, dass sich durch die jeweiligen Wirkstoffe eine Enzymdenaturierung in den Krankheitserregern hervorruft oder Thioalkohole (SH) und/ oder Aminogruppe (NH2) blockieren, wodurch diese zerstört werden.

Veränderung der Nukleinsäure:

Durch die Inhaltsstoffe bzw. Wirkstoffe des jeweiligen Desinfektionsmittels, wird der Aufbau der Nukleinsäuren der Krankmacher verändert, wodurch diese inaktiv gemacht werden. Im Allgemeinen wirken Nukleinsäure verändernde Desinfektionsmittel jedoch wie oxidierende Desinfektionsmittel.

Verallgemeinernd können Desinfektionsmittel jedoch nicht nur einer Wirkungsweise zugeordnet werden. Je nach Wirkstoff werden mehrere Wirkungsweisen verwendet um Krankheitserreger abzutöten und die desinfizierende Wirkung herbeizuführen. Zusätzlich zur Einteilung nach Wirkungsweisen können auch die Wirkungsweisen nach Erregerart herangezogen werden. Man unterscheidet hierbei: bakterizid (= Wirkung gegen Bakterien), viruzid (= Wirksamkeit gegen Viren) – wichtig hierbei ist die Unterscheidung zwischen „begrenzt viruzid“, „begrenzt viruzid plus“ und „viruzid“, sporizid (= wirksam gegen Sporen) und fungizid (= Wirkung gegen Pilze). Viele Desinfektionsmittel sind dabei gegen mehrere verschiedene Krankheitserreger wirksam und deshalb für mehrere Bereiche anwendbar.

Welche Anwendungsbereiche lassen sich unterscheiden und welche Zertifizierungen sind in den einzelnen Bereichen wichtig?

Desinfektionsmittel können in unterschiedlichen Bereichen eingesetzt werden. Wir zeigen nun die Unterschiede auf und streichen die jeweiligen essentiellen Punkte heraus. Es können folgende vier Bereiche unterschieden werden:

Händedesinfektion bzw. Hautdesinfektion

Grundvoraussetzung für die Deklaration als Händedesinfektionsmittel ist die Wirksamkeit gegen Bakterien und Hefepilze. Zusätzlich sind weitere Wirkungsweisen gegen Viren, Sporen etc. möglich. In Bezug auf die Händedesinfektion kann man zwischen hygienischer und chirurgischer Händedesinfektion unterscheiden. Bei der hygienischen Desinfektion (=EN 1500) wird die transiente (auch zeitweilige) Hautflora eliminiert. Dabei sollen vor allem vorhandene Keime auf der Haut sowie etwaige Keime, die durch die Luft angeflogen kommen abgetötet werden. Im Normalfall bereiten diese Keime keinerlei Bedrohung für den Körper, solange sie nicht in den Organismus gelangen.
Bei der chirurgischen Händedesinfektion (=EN 12791) sollen zusätzlich zu zeitweiligen Mikroorganismen auch die residenten Erreger eliminiert werden. Zu dieser Gruppe zählen Keime, welche im Normalfall immer auf der Haut anwesend sind, und auch nicht krankheitserregend wirken. Für den alltäglichen Gebrauch ist die hygienische Desinfektion jedoch ausreichend!

Oberflächendesinfektion

Da die Hygieneanforderungen in vielen Bereichen sehr hoch sind, ist die Oberflächendesinfektion ein fester Bestandteil im Desinfektionsplan von vielen Betrieben. Diese Art der Desinfektionsmittel unterscheidet sich vor allem aufgrund der Einwirkzeit von Händedesinfektionsmitteln. Während auf den Händen eine Einwirkzeit von 30 Sekunden üblich ist, benötigt man für Oberflächen eine längere Wirkungszeit. Des Weiteren verwenden viele Händedesinfektionsmittel rückfettende Stoffe und weitere Inhaltsstoffe um die Präparate „hautfreundlich“ zu gestalten. Diese Stoffe hinterlassen häufig unerwünschte Rückstände auf den Oberflächen. Wichtig in Bezug auf die Verwendung von Oberflächendesinfektionsmittel ist die Materialverträglichkeit von Mittel und Oberflächen.

Instrumentendesinfektion:

Auch Instrumente von Ärzt/inn/en und Kosmetiker/inne/n müssen nach Gebrauch desinfiziert werden. Dafür ist es wichtig, dass diese Gruppe der Desinfektionsmittel vor allem in kleinste Vertiefungen der Instrumente eindringen kann. Weiters ist eine gute Materialverträglichkeit sehr wichtig, sowie eine gute Wasserlöslichkeit und schnell trocknend, damit die Geräte schnellstmöglich wiederverwendet werden können.

Trinkwasserdesinfektion:

Der letzte größere Bereich für Desinfektionsmittel umfasst die Desinfektion von Trinkwasser. Dabei sollen alle Krankheitserreger abgetötet werden. Die etabliertesten und das größte Wirkungsspektrum haben hierbei Desinfektionsmittel auf Chlorbasis. Wichtig hierbei ist es jedoch, immer die Konzentration der verwendeten Materialien zu beachten, da die Ausgangsstoffe in zu hoher Konzentration giftig sein können.

 

Wichtige Normen und Zertifizierungen in Bezug auf Desinfektionsmittel

EN 1499Hygienische Händewaschung
EN 1500Hygienische Händedesinfektion
EN 12791Chirurgische Händedesinfektion
EN 14561Instrumentendesinfektion
EN 13697Flächendesinfektion
EN 14476Wirksamkeit gegen umhüllte und nicht umhüllte Viren

Weitere Normen können je nach Anwendungsgebiet und Anwendungsbereichen wichtig erscheinen. Die Normen in unserer Tabelle beschreiben jedoch die wichtigsten Grundlagen. Vor allem während der derzeitigen Pandemie (Covid-19) ist es wichtig darauf zu achten, dass die verwendeten Desinfektionsmittel eine Zertifizierung über EN 1500 sowie EN 14476 vorweisen können.

Irreführende Begrifflichkeiten – wie werde ich getäuscht?

Hygiene Gel: Viele Hygiene Gels sind nach EN 1499 geprüft, jedoch können Sie häufig keine Desinfektion vorweisen (weshalb die Mittel auch „Gel“ und nicht Desinfektion genannt werden). Nur wenige Produkte sind nach EN 1500 zertifiziert. Wichtig hierbei ist es jedoch zu beachten, ob die jeweiligen Mittel auch gegen Viren wirken! Mindestens begrenzt viruzide Wirkung muss vorhanden sein!!

Hygienisieren: Hygienisierung bedeutet eigentlich: sich sauber machen. Häufig sind vermeintliche „Desinfektionsmittel“ mit zB. Hygienisierung von SARS-Coronaviren. Hierbei ist anzumerken, dass diese Mittel häufig keine Nachweise über EN 1500 bzw. EN 14776 vorweisen können.

Desinfektionsmittel: Wie im Abschnitt „Anwendungsbereiche“ erklärt, ist das Hauptkriterium, um als Desinfektionsmittel in Erscheinung zu treten eine nachgewiesene Wirksamkeit gegen Bakterien und Hefepilze. Dies ist mittels EN 1500 nachgewiesen. Vor allem jedoch gegen (unbehüllte/behüllte) Viren weisen solche Mittel jedoch keine Wirkung auf. Hierbei können wir Euch nur helfen indem Ihr auf Sätze wie „begrenzt viruzid / begrenzt viruzid plus / viruzid“ achtet. Diese Desinfektionsmittel sind auch wirksam gegen Viren. Prinzipiell bedeuten diese Begriffe folgendes:

  • Begrenzt viruzid: Produkte dieser Kategorie sind wirksam gegen behüllte Viren (z.B. HIV, Masern, Influenza, Coronaviren).
  • Begrenzt viruzid plus: Desinfektionsmittel aus dieser Kategorie sind gegen behüllte sowie einige unbehüllte Viren wirksam. (Spektrum „begrenzt viruzid“ inkl. Adenoviren, Noroviren).
  • Viruzid: Desinfektionsmittel mit dem Wirkungsspektrum viruzid sind gegen alle behüllten und unbehüllten Viren wirksam. Zusätzlich zu den Virenarten aus „begrenzt viruzid plus“ beinhalten viruzide Desinfektionsmittel eine Wirksamkeit gegen Polioviren.

Zusätze zu Normen: Viele Mittel werben mit Begrifflichkeiten wie „EN 1500 konform“ bzw. „geprüft nach ….“ Dabei ist es wichtig zu wissen, dass die eigentliche Zertifizierung nicht stattgefunden hat. Der Hersteller möchte hierbei suggerieren, dass das von ihm vertriebene „Desinfektionsmittel“ die Normen besitzt.

Was kann ich tun um den Überblick zu bewahren

Um den Überblick im Desinfektionsdschungel zu behalten ist es wichtig zu verstehen, welche Normen für den jeweiligen Gebrauch notwendig sind. Für den alltäglichen Gebrauch wäre dies zum Beispiel: EN 1500 sowie EN 14776 (um eine mindestens begrenzt viruzide Wirkung nachzuweisen). Des Weiteren ist es wichtig, irreführende Begrifflichkeiten zu hinterfragen. Produkte die „Desinfektion“ im Namen tragen weisen hierzu darauf hin. Andere Begrifflichkeiten wie „Hygienegel, etc.“ sind kritisch zu hinterfragen. Leider wird hierbei oft versucht den Konsumenten zu täuschen.